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woxx | 24 04 2015 | Nr 1316 AKTUELL
EUROPASCHULE
Heimspiel in Blau
tionsprecher der Differdinger Grünen, Schwachtgen, gegenüber der woxx. Aus seiner Sicht ist es politischer Vor- wahlkampf, ein Projekt öffentlich zu präsentieren, das dem Gemeinderat und dem Schöffenrat noch nicht ein- mal vorgelegt wurde.“ Claude Meisch wisse genau, dass die Gemeinde die Schule im Grunde will. „Das ist eine heikle Angelegenheit, aber das Spiel ist durchschaut: Ganz klar, der Minis- ter macht mit der DP eine Veranstal- tung für die Bevölkerung und erklärt ihnen, wo sie dran sind, aber wir wis- sen nicht, wo wir dran sind“, empört sich Schwachtgen. Dass das Tageblatt eine Sonderausgabe zur Promotion der Europaschule in Differdingen he- rausgibt, wundert ihn nicht weiter. Doch sieht er es als Affront an, dass im Tageblatt* der Eindruck erweckt wird, dass das Projekt allein von Claude Meisch und der DP betrieben werde. „Ich jedenfalls weiß, von wem die Ideen für das Projekt seit über dreizehn Jahren ausgehen.“ Die DP brauche nicht so zu tun, als sei sie der alleinselig machende Polit-Faktor, der die Gemeinde Differdingen voran- gebracht habe.
Die Gemeinde stelle sich auch zahlreiche Fragen, denn das Konzept der Europaschule sei noch reichlich vage. So sei unklar, welches Lehrper- sonal dort eingesetzt werden könnte und ob am neuen Standort wirklich 50 Prozent Differdinger Schüler ein- geschult werden oder am Ende nicht doch nur Kinder von Unternehmern angezogen werden sollen, um die vielbeschworene soziale Mixität zu
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erreichen. Auf ein Schreiben vom 9. Dezember des Schöffenrats ans Bildungsministerium, in dem unter anderem nach dieser 50-Prozent-Ein- schulung von Differdingern gefragt worden sei, habe man bis heute kei- ne Antwort erhalten. Ferner scheinen auch die Besitzverhältnisse noch im- mer nicht geklärt, so Bürgermeister Traversini in der Gemeinderatssitzung vom 22. April. Die Gemeinde hat das von Arcelor-Mittal im Juni für rund 5,5 Millionen Euro verkaufte Bauland auf dem Plateau Funiculaire zur Ver- fügung gestellt bekommen. Sie hat die Grundstücke für 15.000 EUR pro Ar er- worben, bekommt jedoch nur 10.000 EUR vom Staat erstattet. Da aber der Staat nun der Kommune das Terrain abkauft, um den Bau der Europaschu- le als staatliche Schule zu realisieren, dürfte die Kommune ein Verlustge- schäft von rund einer Million Euro machen. Doch müsste nicht, da die Kommune der Besitzer des Terrains ist, der Gemeinderat darüber ent- scheiden, was mit diesem geschieht? Wieso bewirbt die DP-Differdingen ein Projekt, dessen Kosten auf den Schultern der Gemeinde ruhen, als ihres?
Ist die Zukunft Differdingens blau?
Der Bildungsminister sieht sich zweifellos als Motor in der Sache. „Es wäre schade, bis 2020 zu warten“, daher gehe das Gesetzesprojekt noch im Sommer in die Chamber. Rund 71 Millionen Euro soll die Regierung da- für locker machen. Ihren Betrieb soll die Schule schon 2016 aufnehmen. Im Zweifelsfall in Containern, die bis 2020 auf das Terrain gesetzt werden. „Wir haben etwas Neues geschaffen: die Realität der Diversität der Schü- ler anzupassen“, so das Fazit seines Vortrags.
Meisch selbst hat durch seinen Wahlkampf-Auftritt in der Süd-Ge- meinde jedenfalls bewiesen, wie er seine Realität als Minister kommunal opportun auf seine Gemeinde an- passt. Geht sein Plan auf, dann hat er mit der „innovativen“ Europaschu- le nicht nur sich selbst ein Denkmal gesetzt, sondern mit dem „sozialen Projekt“ zugleich die Weichen dafür gestellt, dass die Kommune bald wie- der blau regiert wird.
*Schwachtgen bezieht sich auf den Mitte April im Tageblatt erschienenen Werbeartikel „Lycée de Differdange = Ecole internationale à Differdange - Innovant Concept adapté aux besoins des jeunes Differdangeois“.
Anina Valle Thiele
Eine Schule für Differdingen - das ist die Vision des Bildungsministers, der auf einer öffentlichen Veranstaltung der DP-Sektion Differdingen, über die Köpfe des Schöffenrats hinweg‚ ’sein Projekt’ promotete.
Die Präsentation der neuen Euro- paschule in Differdingen am vergan- genen Dienstag im Alten Stadthaus entpuppte sich dank des auf sein altes Feld zurückgekehrten Bildungs- ministers Claude Meisch, ehemaliger Bürgermeister der Südgemeinde, als eine Werbeveranstaltung der DP. „Wir brauchen ein Lyzeum, das für die Dif- ferdinger gut ist“ pries er unverhohlen das Projekt einer staatlich agreierten Europaschule gegenüber den Mit- gliedern der lokalen DP-Fraktion an. Neun solcher Schulen gebe es bereits im Ausland. „Die Schule müsse näher bei den Leuten sein“, die neuen Pläne brächten auch „ein Stück Dezentrali- sierung vom schulischen Angebot“ mit sich, so der Minister. Unklar ist, wann und wie der Plan entstand, das ursprüngliche - noch von Delvaux- Stehres geplante Lyzeum - zu einer in- ternationalen Schule auszubauen. Als er in das Ministerium hineinspazierte, habe er das Konzept bereits vorgefun- den, erklärte Meisch. Bedarf scheint es vor Ort in jedem Fall zugeben, die Schülerzahlen sprechen für sich: 350 verlassen jährlich die Grundschule, doch nur gut zehn Prozent von ihnen erhalten eine Empfehlung fürs „lycée classique“.
„Ein einzigartiges Angebot in der Südregion“ (Claude Meisch)
Die neue Europaschule stellt nach Aussagen des Ministers „ein einzigar- tiges Angebot in der Südregion“ dar, rund 14.000 Schüler sollen hier einen Platz finden. Im Gegensatz zur be- reits bestehenden Europaschule auf Kirchberg trage das breite Sprachen- angebot der multikulturellen Realität der Stadt Rechnung, so Meisch. Lu- sophone Schüler könnten hier auch ihre Muttersprache als Drittsprache wählen. Der Schwerpunkt sollte je- doch auf Englisch und Französisch liegen, sodass als Abschluss der Bac- calaureat Européen stehe. Wichtig ist Meisch aber auch, dass die Schüler hier Lëtzebuergesch lernen. Es soll
als Pflichtfach im unteren Sekundar- zyklus bestehen bleiben. Schließlich sprächen nicht mehr als 40 Prozent im Land überhaupt noch Luxembur- gisch - in Differdingen sei die Zahl sicherlich noch niedriger. Rund 3.000 Schüler verließen bereits das Land, um das Angebot in der - vor allem belgischen Grenzregion in Anspruch zu nehmen. Doch gehe es keineswegs darum, den lokalen Strukturen Kon- kurrenz zu machen, so Meisch.
Der Bau einer solchen Schule bringt also, glaubt man dem Minis- ter, nur Vorteile mit sich. „Ich den- ke, dass wir als Regierung auch da einen öffentlichen Auftrag haben,“ betonte Meisch. Doch spricht hier der Bildungsminister oder der ehe- malige Bürgermeister? „Ist das die offizielle Regierungspolitik, Pläne über die Köpfe des Schöffenrats hin- weg zu kommunizieren?“, fragte denn auch, ziemlich aufgebracht, der grü- ne Gemeinderat Fränz Schwachtgen. Weil die DP die Europaschule quasi als ihr Projekt präsentiere, habe er im Gemeinderat eine entsprechende Frage gestellt, zumal der Schöffenrat nicht besonders gut informiert sei. Da herrsche definitiv ein Mangel an In- formation, „Et fängt lo un, droleg ze ginn“, so der sichtlich erzürnte Frak-
In eigener Sache ...